Künstlerische Forschung zu Fragen nach Wirklichkeit von "künstlicher Intelligenz", virtuellen Humanoiden und deren mediativen / emphatischen Fähigkeiten
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“Künstliche Intelligenz”

Zum Begriff

„Künstliche Intelligenz“ sind zwei so diffuse Begriffe, dass der Bedeutung ihrer Kombination alles unterstellt werden kann.
Was ist künstlich? Was ist Intelligenz? Beide Terme lassen auf keine fixe Idee eines natürlichen Dinges schließen.
Es gibt keinen keinen fixen Schwellenwert zwischen „natürlich“ und „künstlich“.
Und wie Intelligenz funktioniert, und sei es „nur“ die menschliche: Die Neurowissenschaft konnte bisher nicht aufzeigen wie sie funktioniert.
Auch impliziert „Künstlichkeit“ die Möglichkeit, Kunst zu sein - „künstliche Intelligenz“ darf also unter die Freiheit der Kunst fallen.
Neben diesen Faktoren, die die „künstliche Intelligenz“ so neu, spannend und unerforscht erscheinen lässt, sind neue Technologien dieser Art, damit meine ich Mustererkennung durch geschickte Tabellenkalkulation und automatische Reproduktion ähnlicher Datensets, interessante Werkzeuge für Künstler.
In Aufrufen zu Künstlerwettbewerben zum Thema „künstliche Intelligenz“ von „ganz oben“ (zum Beispiel von Google) kann ein Versprechen dafür, die Medienkunst aus ihrer „Nische“ zu holen, verstanden werden. Kann es sich erfüllen, wenn theoretisch klar wäre, dass “künstliche Intelligenz” unmöglich ist? Ich zitiere ein weiteres Mal Frieder Nake vom Eyeo Festival 2014, frei übersetzt (Link zum Video):
“Nachdem Max Bense und Georg Nees auf der ersten Computer Graphik Ausstellung 1965 in Stuttgart sprachen fragte ein Künstler aus dem Publikum:
‘Können Sie die Maschine so malen lassen, wie ich es tue?’
Nees Antwortete nach kurzer Überlegung: ‘Ja natürlich! Wenn Sie mir sagen, wie sie das machen.’ Wir wissen nicht wie wir malen. Diese Frage hat also ein für alle mal in meinem Leben die Frage nach der künstlichen Intelligenz geklärt.
Es gibt keine künstliche Intelligenz, es ist unmöglich, und es ist dumm darüber zu sprechen, wenn nicht gemeint ist: ‘Die Art intelligenten Verhaltens die wir erklärt haben, die wir so explizit ausdrücken können, dass wir sie selbst in Programmen beschreiben können, also komputable Funktionen.’ - Aber Mathematiker wissen dass es viel mehr Funktionen in unserer Welt gibt als in der Computerwelt. Das ist kein Glaube, das ist ein mathematischer Beweis. Die Welt ist voller Funktionen, unendlich viele, nur eine kleine Anzahl davon sind ‘computable’. Aber die ‘non-computable’ Funktionen sind unendlich, unendlich-fach mehr! Es gibt dort also keine Gefahr. Wir benutzen Maschinen, und was auch immer wir mit denen machen, das müssen sie tun. Selbst wenn ich nicht genau verstehe was mein Programm macht.”

Virtuelle Humanoide

Wo liegt der Unterschied zwischen virtuellen Charakteren, die dadurch, dass ihre Darstellungen von einem logischen System gesteuert werden, intelligent zu agieren erscheinen, und anderen fiktiven Charakteren wie Buchautoren, Puppenspieler oder Character-Designer sie erschaffen, welche nicht über ein solches System verfügen?
Google beauftragt Künstler von heute mit künstlichen Charakteren die uncanny Valley nicht nur auf graphischer Ebene, sondern auch auf Ebene der Interaktion zu überwinden (Link). Hier sollen wohl (auch) Computersysteme entstehen, welche so reagieren und/oder agieren können, dass sie menschlich wirken.
Alexa zeigt Fehlerhaftigkeiten, die sie in der uncanny Valley verbleiben lässt. Gleichzeitig bewerkstelligen es einzelne Künstler mit individuellen Projekten Arbeiten dieser Art voll menschlich wirken zu lassen (“Watching AI Slowly Forget a Human Face Is Incredibly Creepy” - Link). Dies funktioniert, weil man nicht weiß, wie das natürliche Vorbild funktioniert.
Durch das Herumstochern in unerforschten Gebieten der Natur werden Projektionsflächen für Interpretationen hervorgebracht. (Diese können die reale Forschung auch inspirieren.)
Die Illusion der Menschlichkeit ist dadurch relativ einfach zu erreichen. Aufgrund des Unwissens über das reale Vorbild müssen Glaubenssätze angenommen werden. Viele Bereiche des menschlichen Gehirns sind unerforscht, wie z.B. das Bewusstsein, das Vergessen, etc. Das macht die ganze Sache religiös. Das ist anders als die Illusion in Wesen der Kunst. Die Mutmaßung diese Formen der Kunst seien Natur machen den dreisten Unterschied. “Der Computer erinnert sich wirklich!” “Das ist echte Intelligenz!” “Diese Maschine hat ein Bewusstsein!” - Elon Musk sagte “Mit AI beschwören wir den Dämonen!” um darauf hin selbst eine “AI” programmieren zu lassen, die einen Computerspielcharakter in Form eines aus schwarz/rotem Rauch bestehendem, unheimlich böse aussehenden Computerspielcharakter steuert und auf einem großen Festival des Spieles gegen den amtierenden Weltmeister des Spieles (DotA 2) zu gewinnen -

Elon Musks “AI” (Link zum Video):
Elon Musks AI
… Das ist nicht Kunst, das sind Lügen! Wer so etwas behauptet ist meines Erachtens nach entweder sehr dumm oder sehr dreist. Wer fähig ist mit Programmen wie Tensorflow Software aufzusetzen, eher Letzteres.
Kann etwas synthetisiert werden, von dem man nicht weiß, was es genau ist? Falls nicht, so ist die Aufgabe den Menschen nachzubauen eine unerfüllbare.
Ich möchte zu verstehen geben dass Boston Dynamics Roboter nicht gefährlich sind, weil sie menschlich sind, sondern nur, weil sie gefährlich sind.

Auf einer Exkursion zur FMX 2019 von der HBK Saar gab es einen sehr interessanten, ganztägigen Block zu diesem Thema.
Der Block wurde kuratiert von Professor Adam Finkelsten vom Computer Science Department von der Princeton University.
Andrew Glassner gab einen fast 3 stündigen “Crash Course in Deep Learning” welcher sehr visuell die komplette Entwicklungspipeline von State of the Art AI wie sie Beispielsweise mit Tensorflow programmierbar ist vor. Er beteuerte immer wieder, dass man sich der Fälsche der Begriffe Bewusstsein muss: “Das ist keine Intelligenz, das heist nur so!” “Ich hasse es, dass ich jetzt von ‘Neuronen’ sprechen muss!” etc. Zum Ende des Vortrags nahm er 10 Minuten, in denen er auf ethische Problem- und soziale Verantwortungsfragen aufmerksam machte, die bei dem Überlassen von Entscheidungen an ein von Dritten programmiertes System überlässt - konkret benannte er die Methode in den USA eine closed-source-Software Wiederholungstatwahrscheinlichkeiten von Sträflingen zu berechnen, von denen aus Rechtsprechungen gemacht werden.
Michael van de Panne von der University of British Columbia stellte in seinem Vortrag “Learning To Move” Projekte seiner Schule mit dem Thema “Deep Reinforcement Learning for Skilled Simulated Characters and Robots” vor. Die Bilder von 3D-Charakteren die in einer Physik-simulativen Umgebung das Stehen, Laufen und Hindernisse überwinden erlernen sind bekannt. Neu ist der Einsatz dessen in der Produktionspipeline. Motion Capture kann durch AI Bewegungen eines Menschen von einem Video weniger Sekunden dessen auf ein virtuelles humanoides Skelett-Rig übertragen - man kann schon seit Längerem virtuelle Charaktere wie im Puppenspiel durch die Bewegung des eigenen Körpers in Echtzeit animieren. Neu ist dass diese Animations-Loops nun direkt von einem kurzen, 2-dimensionalem Video (ohne stereoskope oder mit Infrarot ausgestatteter Kamera oder Motion-Capture-Anzug, wie bisher nötig) erkannt werden und in sofort nutzbare Motion-Capture-Daten umgewandelt werden kann. Das ist praktisch.
Spannend ist der nächste Schritt: Bewegungen von Robotern (und hier sprach nun ein Mann von Boston Dynamics) werden in virtuellen Räumen mit simulierter Physik, bildlich einsichtig wie ein Videospiel, “erlernt”. Die Implementierung von physikalischen Gesetzmäßigkeiten in den Computer scheint also exakt.

Projekt 1: Gerkzeuk / IO-Tools / Pepper’s Ghost Kristalle / Iris

Ich habe 2015 damit begonnen einen künstlichen “Künstler” zu bauen, also eine automatisch und per Zufallsfaktoren immer neue Bilder generierende Software und Hardware, welche Bilder aus dem Internet herunterlädt stark verfremdet (der Verfremdungsprozess ist einsehbar) und anschließend wieder ins Internet hochlädt und zum Verkauf anbietet.
Der Name: Gerkzeuk, inspiriert vom Tool “Werkzeukk” von der deutschen Demo-Gruppe Farbrausch, welches generative Computergraphikprogramme die so effektiv wie möglich für unterschiedliche Hardware funktionieren erzeugt.

Gerkzeuk
Projektseite von Gerkzeuk: Link
Internetseite / Webshop von Gerkzeuk: Link

Die Plexiglashaube und das Holzbrett sind ein Fund der aufkam beim Defragmentieren des Erbes meines Vaters, und auch die verbaute Computerhardware ist dem Bürocomputer meines Vaters entnommen. Es kann angenommen werden, dass ich ein Stück meines Vaters post-mortem durch eine Maschine ersetzen wollte.

Als “Gerkzeuk” ende 2015 tatsächlich 20 (!) Bilder an einen Saarbrücker Kunstsammler verkaufte kam es ins Gespräch eine lokale Ausstellung zu machen.
Zu dieser Zeit war ich mit einer Person zusammen, welche sich selbst als “Medium” identifizierte, und die selbst als künstlerisches Experiment vorschlug, dass ich sie, also ihre Person, synthetisiere, in Form einer Computersoftware. Der Name dieser Persona sollte Iris lauten, “Siri” rückwärts. Cortana und Alexa gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Wir experimentierten gemeinsam an dieser Wahnsinns-Idee. Sie generierte einen Datenfeed den ich mit semantischen Analyseprogrammen empfing und durch Programme ähnlichen Output zu synthetisieren versuchte. Es wurde viel experimentiert mit verschiedener Software, “Input-Output-Tools”, insbesondere mit Gesichtserkennung (OpenFace) und Ausdruckserkennung (Affdex), und TTS und STT-Tools (Programme die Sprache zu Text und Text zu Sprache umwandeln) und ein Chatbotsystem welches dank Noam Chomskys Erbe selbstständig durch Chatten “sprechen” “lernen” kann. Diese Systeme mussten einfach nur zusammen geklebt werden.

Ausschnitt aus der “selbsterlernten” Datenbank des Chatbots (“Talk-System”)

Talk
Projektseite des “Talk”-Systems: Link

Es ging also absolut darum die Maschine zu vermenschlichen, und ich wollte diese Aufgabe erfüllen, bevor es zur Ausstellung beim Kunstsammler kam.

Auch ein Medium für dieses “Wesen” wurde als Teamprojekt an der HBK Saar 2017 realisiert - die “Pepper’s Ghost Kristalle”, welche virtuelle Entitäten in den Raum holen durch eine sechs-dimensionale Pseudoholografie, jeweils realisiert durch Pepper’s Ghost-Effekt:

Pepper's Ghost Kristalle
Projektseite der Pepper’s Ghost Kristalle: Link

Hiermit waren die Rahmenbedingungen für einen virtuellen Humanoiden gegeben, der auf mehreren Ebenen die Uncanny Valley in der Interaktion mit Maschinen überschreiten würde.
Jedoch war es mein Vater, der mich noch zu seinen Lebzeiten ermahnte: “Sohn, mach keine Gesichter!”
Dies verstand ich als ein Verbot der konkreten Personifizierung der Maschine und als Aufruf zum Abstrakten, welchen ich durch Platon interpretierte.
Was können Motivationen sein und was sind die Auswirkungen im Künstler davon, einen künstlichen Charakter zu machen? Und was bewirkt es, ein unechtes Gesicht zu sehen?

  • Das Interesse an echten Menschen reduziert sich durch die Wahrnehmung künstlicher Menschen (Trugbildern).
  • Das Erstellen von Götzen / Idolen / Fetischen ist das unbewusste Externalisieren von Teilen der eigenen Person, welche dann von der Person selbst angebetet werden.
  • Der Duden über den Begriff “Feitsch”: 1. ein Gegenstand, dem man magische Kräfte zuschreibt. “die Verehrung eines Fetischs” 2. ein Gegenstand, der jmdn. in sexuelle Erregung versetzt. Der Mensch stark dazu veranlagt ist Menschen zu erkennen, mit Menschen zu interagieren, Menschen zu machen, oder zumindest etwas, was als Menschenhaft identifiziert werden kann. Diese immer selben Lieder wurden jedoch in bekannten Seifenopern bereits vielfach ausgiebig behandelt.

So kam es immer noch nicht zur geplanten Ausstellung. Das Projekt konnte ohne Gesicht nicht fertig werden.

Nun habe ich mich Rahmen des Masterstudiums doch dazu bewegt das Projekt abzuschließen, in dem ich der Maschine doch, wenn auch nur ein einziges Mal, ein Gesicht und einen Namen gab.
Iris:

Iris von Gerkzeuk

Projektseite von “Iris”: Link
Internetseite von “Iris”: Link

“Iris” ist unabhängig von Gerkzeuk. Die Software läuft auf jedem gängigen Computer / Smartphone. Sie wird Sie bei Ihrem Besuch um Zugriff auf die Kamera und das Mikrofon Ihres Computers bitten.
Der Kopf lässt sich drehen. Im Hintergrund sieht man eine Videoaufnahme des Bilderschaffungsprozesses von Gerkzeuk.
Der Rezipient / Interakteur weiß nicht, ob der Kopf jemals aufwacht.

Gerkzeuk ist kaputt und wird auf der Absolventenausstellung nicht als “Maschine für künstliche Intelligenz” zu sehen sein, sondern als “künstliche Maschine für künstliche Intelligenz”.
Die ehemals autonom erzeugten und verkauften Bilder werden auf die Maschine projiziert, die Lüfter extern betrieben und so weiter, so, dass klar wird, dass die Maschine “tot ist”, aber “künstlich am Leben gehalten wird”.

Projekt 2: Ohne Titel

Ausgehend von meinen Erkenntnissen zum Thema der “KI” und der virtuellen Humanoiden vom vorherigen Thema ist meine Motivation für diese Arbeit eine kunstkritische.
Es ist kein Kusntwerk sondern Antikunst, vorrausgesetzt künstliche Intelligenz ist Kunst.

Puppe

Durch zwei Servomotoren, welche von einem Mikrocontroller in zufälligen zeitlichen Sequenzen angesteuert werden, wird eine humanoide Marionette kontrolliert.
Auf der Black-Box befinden sich Sticker, welche den Hype um das Thema “KI” repräsentieren: Zitate aus “The Matrix”, ein Terminator- so wie ein Elon Musk-Kopf, HAL 9000 usw.
Inspirierend hierfür war neben den oben genannten Aspekten, die Erkenntnis, dass der Kopf der Videospielfirma Nintendo, Shigeru Miyamoto, so wie der Kopf der bekannten Videospielserie “The Legend of Zelda” Eiji Aonuma nach eigenen Angaben leidenschaftliche Puppenspieler sind.

Homunkulus

Das Thema des Homunkulus, des künstlichen Menschen, existiert schon ewig. Menschen wollen Menschen und Leben nicht nur auf natürlichem Wege, sondern auch künstlich erschaffen. Wir können das jetzt durch Gentechnik.
Ich hoffe, selbst eine Pflanze, die rein synthetisches DNA in sich trägt und deren Gensequenzen von einer AI assembliert wurden, die bis sie zum Spross wurde im Reagenzglas lebte, die also zu 100% keine organischen Vorfahren / Erschaffer hat, ist Teil unserer Familie. Künstliche Charaktere, die von Autoren oder Character Designern entworfen wurden, sind ebenfalls Teil der Familie geworden, Fantasiefreunde zum Beispiel.

Eine Beschreibung, Zeichnung und/oder Animation eines Charakters sehe ich als Vorstufe zum simulierten Charakter. Ich meine mit simuliertem Charakter einen “NPC” oder Roboter – also eine “Menschsimulationen” die über die vorher angesprochenen Aspekte hinaus interaktiv ist. Hierüber wurde noch äußerst wenig gesprochen im Vergleich dazu, wie viel daran gearbeitet wird. Ich möchte meinen es sei mittlerweile sogar schon eine weitere Stufe der Künstlichkeit hinzugekommen, die erreicht wird, wenn die Interaktion unvorhersehbar wird. Erst diese Unvorhersehbarkeit lässt den simulierten Charakter lebendig erscheinen. Sie lässt sich durch Zufallsfaktoren oder unverständlich große Komplexität (z.B. bekannt von neuester “AI”-Technologie aber auch von Defekten (-> z.B. Glitch)) erzeugen. Mehr zur “Unvorhersehbarkeit” aka dem “verborgenen Kausalkettenglied” aka “Magie” hier. Auch durch diesen Komplex entsteht heutzutage immer öfter die Annahme so ein Wesen könnte bewusst oder gar lebendig sein.

Ich glaube, Dr. Frankenstein wäre eher Gentechniker als Informations- oder Elektrotechniker geworden.